Meine kleine Weihnachtsgeschichte

Eine Weihnachtserinnerung von Raimar König – für Michael Bannert mit vielen lieben Weihnachtsgrüßen an das andere Ende der Welt

Jedes Jahr am 24.12. fuhren meine Eltern, mein Bruder Stefan und ich von Erfurt aus zu meiner Oma nach Riestedt.

Riestedt liegt in Sachsen-Anhalt und ist ein kleines Dorf neben der Kleinstadt Sangerhausen, in der es übrigens die größte Rosenausstellung Europas gibt.

Gleich nach Schulschluss fuhren wir los und es war immer geheimnisvoll, wenn unsere Eltern das Auto beluden: Da wurde Gepäck eingeladen, was wir nicht sehen sollten.

In Riestedt angekommen, musste der Tannenbaum aufgestellt werden und das war eine Aufgabe, die meinen Vater immer wieder an die Grenzen seiner Geduld drängte:

Es gab nämlich noch nicht diese modernen Weihnachtsbaumständer, bei denen man einfach einen Hebel mehrmals hoch- und runter bewegt und der Baum so sicher von vier Seiten fixiert wird – nein, der Gusseiserne Ständer besaß nur eine kleine schwergängige Flügelschraube, die den Baum im Ständer halten sollte und wenn der Baumstamm zu dick war, musste man ihn zuerst mit der Axt bearbeiten, damit er in den Ständer passt.

Wenn diese Arbeit jedoch erledigt war und sich die Gemüter beruhigt hatten, begannen wir Kinder damit, den alljährlichen Weihnachtsbaumschmuck aus den großen angestaubten Pappkartons zu nehmen und den noch ganz winterkalten Baum zu schmücken.

Wir Kinder hatten natürlich unseren Lieblingsschmuck: Neben einem Vögelchen zwei paar Glasglöckchen gab es auch noch ganz besondere Weihnachtskugeln welche oben blau, unten rot und in der Mitte mit weißen Schneekörnchen bemalt waren.

Die „große Stube“, in der der Baum nun stand, wurde nur zu besonderen Anlässen geheizt und Heizkörper, die nach längerer Zeit wieder aufgedreht werden, haben einen ganz bestimmten Geruch. Dieser mischte sich mit dem Duft der Tanne und wenn man die große Stube betrat, konnte man es riechen:

Es ist Weihnachten!

Am Abend gingen wir in die Kirche, in der sich fast das ganze Dorf traf. Im Gottesdienst wurden Weihnachtslieder gesungen, es roch weihnachtlich nach Räucherkerzen und während wir Kinder mit sangen oder mit einem viertel Ohr der Predigt zuhörten, spielten wir mit den Kerzen.

Wir ließen das flüssige Wachs die Buchablage der Kirchenbank hinunter laufen und wenn es hart war, lösten wir die Wachsstäbchen vorsichtig ab und schmolzen sie über der Kerze wieder ein. Bei alledem war in mir immer das Gefühl von Freude und Aufregung präsent, denn es dauerte nun nicht mehr lange bis zur Bescherung.

In Riestedt hatten wir oft weiße Weihnachten. Ich erinnere mich, wie auf dem Heimweg der Schnee unter meinen Schuhen knarzte und es dabei diese kleinen Vibrationen unter meinen Füßen gab.

Wieder bei der Oma angekommen, war jetzt die große Stube geschlossen. Es gab dort noch ein paar geheime Dinge zu tun… …und das war so aufregend!

Nun wurde das Abendessen in die große Stube gebracht und während wir Kartoffelsalat und Würstchen aßen, konnten wir Kinder die Augen nicht von den Geschenken lassen, die unter dem Weihnachtsbaum lagen.

Der Spannungsbogen sollte aber noch viel weiter geführt werden: Nach dem Essen wurde musiziert!

Wir sangen, meine Mutter spielte Klavier, mein Bruder Fagott und ich spielte auf der Geige – immer wieder die Geschenke im Blick. Nur mein Vater, welcher nicht musikalisch ist, brummelte nur ein bisschen mit oder blieb ganz still.

Dann war es endlich soweit und wir durften unsere Geschenke auspacken – alle gleichzeitig. Die viel schönere Art der Bescherung bei der die Geschenke nacheinander unter den Augen aller ausgepackt wurden sollte ich erst zwanzig Jahre später erleben und mir von da an zu eigen machen.

Während nun gespielt, gezeigt und geredet, gelacht oder gestritten wurde, begann meine Oma, das Geschenkpapier einzusammeln und für das nächste Jahr glatt zu streichen. Es hat sich nie jemand daran gestört, dass jedes Jahr dasselbe Geschenkpapier benutzt wurde – die gleichen Muster und Motive hatten sogar etwas vertrautes, gleich dem wiederkehrenden Weihnachtsbaumschmuck.

Das war unser Heilig Abend und so erlebte ich ihn viele Jahre.

Wenn ich mich heute an die Bescheidenheit des Geschenkpapierglättens erinnere, bin ich gerührt und nachdenklich – ein bisschen mehr Bescheidenheit in unserer Zeit täte uns allen gut.

Wenn wir Kinder am Morgen des 1. Weihnachtsfeiertages gleich in die große Stube gingen, um uns an unseren Geschenken zu erfreuen, konnte man es beim Türöffnen wieder riechen:

Weihnachten! Dieser Duft ist einfach einzigartig!

Am 1. Weihnachtsfeiertag gab es zur Ente immer selbst gemachte Kartoffelklöße. Der Großteil der Kartoffeln wurde dabei roh gerieben, in ein Tuch gewickelt und in unserer alten Wäscheschleuder geschleudert. Meine Mutter musste sich mit all ihrem Körpergewicht auf die Schleuder stützen, damit diese bei der Unwucht nicht weg hüpft. Die Klöße wurden mit angebratenen Brötchenwürfeln gefüllt – wir Kinder nannten dies „Kinderüberraschung“ und stellten im Übrigen schnell fest, dass diese auch ohne Klöße gut schmeckt!

Am 2. Weihnachtsfeiertag gab es dann all die leckeren Reste zu essen. Es waren wirklich köstliche Tage!

Für mich war das besondere an Weihnachten auch, dass dem Heilig Abend noch zwei weiterer Feiertage folgten und nach ein paar weiteren schulfreien Tagen kam noch Silvester – eine Zeit voller Festlichkeiten und Sorglosigkeit!

So freudvoll wie damals ist es für mich auch heute noch:

Weihnachten ist für mich das schönste Fest des Jahres und ich freue mich mit 46 Jahren noch immer wie ein Kind darauf.

Und was soll ich sagen:

Meine russische Frau liebt Kartoffelsalat mit Würstchen und am 1. Weihnachtsfeiertag gibt es selbst gemachte Kartoffelklöße.

Mit Kinderüberraschung!

Rezept für Kartoffelklöße

Zutaten für 3 – 4 Personen:

21 große Kartoffeln

3 Brötchen

Salz

Zubereitungszeit: 60 Minuten

 

Die Brötchen in kleine Würfel schneiden und in Butter goldgelb braten.

Die fertigen Würfel zum Abkühlen in eine Schüssel geben.

Ein Drittel der rohen Kartoffeln grob, ein weiteres Drittel fein reiben.

Die Masse vermischen und in einem Tuch aus-wringen. (Das Kartoffelwasser kann in einer Bratensoße verwendet werden.)

Die rohe Kloßmasse in einer Schüssel ausbreiten.

Den Rest der Kartoffeln kochen und mit dem Mixstab pürieren.

Die heiße Kloßmasse vorsichtig in die rohe geben, gut verrühren und mit Satz abschmecken.

Mit nassen Händen aus der Masse Klöße formen und die gebratenen

Brötchenwürfel einarbeiten. Dabei darauf achten, dass die Kloßmasse die

Brötchenwürfel vollständig umschließt.

Währenddessen einen großen Topf mit gesalzenem Wasser zum

Kochen bringen

Die Klöße vorsichtig in das kochende Wasser geben und je nach Größe

20-30 Minuten kochen lassen. Dabei sollten die Klöße ausreichend Platz

haben, um sich während des Garens selbständig umdrehen zu

können.

Die Klöße sollten bis zum Servieren im Wasserbad liegen, um nicht

auszutrocknen.